
Brandt Zwiebackfabrik (2012)
Es begann vor über 100 Jahren, im Oktober 1912, als der Bäcker- und Konditormeister Carl Brandt gemeinsam mit seinem Bruder die „Märkische Zwieback- und Keksfabrik C. & F. Brandt GmbH“ gründete – im Hagener Stadtteil Haspe, damals ein aufstrebender Industriestandort. Ihr Ziel: Zwieback und Biskuit in gleichbleibend hoher Qualität und dennoch bezahlbar auf den Markt bringen.
Was wie eine einfache Idee klang, wurde ein Stück deutscher Markengeschichte.
1929 wurde die Zwieback-Produktion mechanisiert, inklusive einer selbst entwickelten Schneidemaschine – zur damaligen Zeit eine technische Pionierleistung. Brandt beschäftigte bereits 700 Mitarbeiter, der „Brandt-Zwieback“ wurde in der bis heute bekannten „Frischbleibe-Packung“ verkauft. Und ebenfalls 1929 erschien erstmals das berühmte „Brandt-Kind“ auf der Verpackung. Der Preis für eine Packung lag bei 85 Pfennigen.
1956 erhielt Carl Brandt das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse für seine Verdienste um die deutsche Ernährungswirtschaft. Nach seinem Tod 1966 übernahm seine Frau Betty Brandt die Geschäftsführung – und engagierte sich über Jahrzehnte sozial, loyal und nah an der Belegschaft.
Nach Betty Brandts Tod 1984 übernahm der Adoptivsohn Carl-Jürgen Brandt die Firmenleitung. Es folgten Firmenübernahmen, Expansionen, strategische Entscheidungen. 1990 knackte die Unternehmensgruppe erstmals die 500-Millionen-Mark-Umsatzgrenze.
Und dann kam der Bruch.
Die Verlagerung – wirtschaftlich gewollt, menschlich zerstörerisch Was bis hierhin wie ein industrielles Märchen klingt, endet mit einem kalten Schnitt.
Die Produktion in Hagen wurde aufgegeben. Ein neuer Standort wurde in Thüringen aufgebaut – mit der Hilfe massiver Fördermittel. Das Land Thüringen unterstützte die Ansiedlung in Ohrdruf mit geschätzten 25 Millionen DM. Die Gegenangebote der Stadt Hagen und des Landes NRW – günstige Flächen, Investitionshilfen – blieben chancenlos. Der damalige NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement bezeichnete den Umzug als „Vergeudung volkswirtschaftlicher Ressourcen.“ Denn: Die Fördergelder kamen aus dem Solidaritätszuschlag – jenem Topf, der eigentlich für gesamtgesellschaftlichen Aufbau gedacht war. Und so wurde der traditionsreiche Standort Haspe mit Hilfe westdeutscher Mittel abgewickelt.
Am 5. Dezember 2003 lief der letzte Zwieback in Hagen vom Band. Fast 500 Mitarbeiter verloren ihre Arbeit. Zurück blieb ein leerer Koloss, ein stillgelegtes Stück Erinnerung.
Erkundung 2005 – Zwischen Stille und Struktur
Jahrelang stand das Brandt-Werk auf meiner Liste – aus Respekt, aus Neugier, aus Verbundenheit.
2005 war es so weit. Bei meiner erlaubnisfreien Begehung der weitläufigen Produktionshallen waren die meisten Maschinen bereits entfernt. Und dennoch: Man konnte die Prozesse noch sehen. Spüren. Lesen.
Vom Rohstofflager, über die Teigherstellung, das Backen, bis zur Verpackung und Auslieferung – alles war noch da. Unsichtbar, aber greifbar.
Die Struktur stimmte. Die Erinnerung arbeitete mit.
Heute ist das Gelände nicht akut vom Abriss bedroht. Einige Teile sollen einer gewerblichen Nachnutzung zugeführt werden. Ob das gelingt – bleibt offen.
Aber der Ort wird bleiben. In Bildern. In Geschichten. Und in dem Moment, in dem man durch die Hallen geht und noch den Duft von Zwieback zu riechen glaubt.
Im unteren Teil der Bildergalerie sind historische Fotos der Zwiebackfabrik zu finden.
Links zum Thema:
Zeitungsbericht "Von Brandt blieb nur die Brücke" (Westfälische Rundschau, Dezember 2011)
Zwiebackfabrik Brandt als Themenroute der Route Industriekultur









































































































































