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Friedhof Staglieno von Genua (2008)


Eröffnet im Jahr 1851, ist der Cimitero Monumentale di Staglieno in Genua kein gewöhnlicher Friedhof. Er ist ein Freiluftmuseum, ein Ort, an dem Kunst, Tod und Erinnerung in seltener Harmonie nebeneinander bestehen. Wer durch seine weitläufigen Arkaden, Alleen und Gräberreihen wandert, betritt kein Totenreich – sondern eine Bühne der Ewigkeit.

Hier trifft man auf klassische Grabformen ebenso wie auf die Mediterrane Friedhofsarchitektur, wie man sie aus Italien kennt: reich, bedeutungsschwer, anrührend. Künstlerische Stile aus mehr als einem Jahrhundert liegen unmittelbar nebeneinander. Klassizismus, Realismus in seiner elaboriertesten Form, Symbolismus, Jugendstil, Art Déco – sie sprechen miteinander, schweigen miteinander, stehen einander gegenüber wie stumme Skulpturen in einem endlosen Gespräch.

Staglieno ist groß. Nicht einfach groß im geografischen Sinne – sondern in seiner Wirkung, seiner Tiefe, seiner Komplexität. Wer den ganzen Friedhof sehen will, braucht Zeit. Tage. Vielleicht mehr. Und selbst dann hat man nicht alles gesehen.

Die Anlage ist gepflegt, würdevoll, intakt. Rund um den Friedhof entwickelte sich im Laufe der Jahre eine regelrechte Bildhauerschule, deren Werke weit über die Grenzen Liguriens hinaus bekannt wurden. Viele Künstler der italienischen Moderne kamen nach Staglieno – nicht nur, um zu trauern, sondern um zu studieren, zu staunen, zu verstehen.

Für Fotografen allerdings bringt dieser Ort auch Einschränkungen mit sich: Fotografieren ja – aber ohne Stativ. Für mich bedeutete das, auf lange Belichtungszeiten zu verzichten. Der Kompromiss: hohe ISO-Werte, bis zu 3200 ASA. Rauschen, Unschärfen – Bilder mit technischer Schwäche, aber innerer Wahrheit.

Und dann war da dieser Moment, der mich vollkommen aus dem Gleichgewicht brachte.

Ein junger Mann stand an einem Grab. In der Hand hielt er bunte Luftballons, mit denen er behutsam den Grabstein schmückte. Für einen winzigen Moment sah es aus wie ein Fest. Vielleicht ein Geburtstag?

Dann wurde mir klar: Ein Kindergeburtstag.
Aber hier kommen keine Freunde zum Feiern.
Hier ist es nicht laut.
Hier ist es still. Ganz still.

Es war ein Moment von lähmender Traurigkeit.
Eltern, die ihr Kind besuchen.
Keine Worte. Nur Anwesenheit.
Ich konnte meine Tränen nicht zurückhalten. Und schämte mich fast, dort mit einer Kamera zu stehen, als sei ich ein Beobachter, wo ich doch längst ein stiller Teil des Ganzen geworden war.

Staglieno hat mich gepackt wie kaum ein anderer Ort. Nicht, weil er von Tod erzählt. Sondern weil er vom Leben erzählt – auf die einzig ehrliche Weise: in Stein, in Stille, in Zeit.

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Reisebericht

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