
Die Friedhofsgärtnerei (2012)
Ein grauer Sonntagnachmittag. Der Regen fällt unaufhörlich, dicke Tropfen klatschen auf Asphalt, Laub und Grabsteine. Vom Parkplatz am Friedhof sind es nur ein paar hundert Meter zu meinem Ziel. Und dann stehe ich davor – die ersten Gewächshäuser tauchen aus dem Nieselnebel auf, als wären sie nie ganz verschwunden. Nur vergessen.
Unter tausenden Quadratmetern Glasdach tritt der Regen plötzlich in den Hintergrund – zumindest optisch. Akustisch ist er präsenter denn je. Er tropft, trommelt, plätschert auf die Scheiben über mir, als wolle er mir sagen: „Schau hin. Hör zu. Hier ist mehr, als du denkst.“
Ich trete ein in diese riesige Hülle aus Stahl und Glas, und sofort setzt eine seltsame Ruhe ein. Kein Wind. Kein Außen mehr. Nur noch das regelmäßige, beruhigende Ticken der Tropfen und die fast perfekte Geometrie der Bauweise. Reihen über Reihen, durchbrochen von Ranken, Unkraut, Trümmern. Alles im Raster. Alles in Ordnung – und gleichzeitig vollkommen aus der Zeit gefallen.
Fotografisch reizen mich hier weniger die Details. Es ist das große Ganze. Die Weitwinkellinse liebt diese Strukturen: sich endlos wiederholende Linien, Fluchten, Spiegelungen. Ein Ort wie gemacht für Architektur-Puristen – wenn da nicht der Verfall wäre, der sich unaufhaltsam zwischen die Symmetrie drängt.
Früher war das hier eine Gärtnerei. Eine, die sich auf den Tod spezialisiert hatte – indirekt. Blumen und Sträucher wurden hier gezogen, um später auf den Gräbern des benachbarten Zentralfriedhofs ihre letzte Blüte zu zeigen. Die Glasdächer schützten zarte Pflänzchen vor Frost, Sonne und Trockenheit. Ein geschlossenes Biotop für das Leben vor dem letzten Ort.
Aber irgendwann wurde es still. Der Markt kippte. Niederländische Anbieter konnten günstiger, schneller, effizienter liefern. Die regionale Gärtnerei hatte keine Chance – zu teuer, zu klein, zu langsam. Und so wurde geschlossen. Einfach so. Und das Glasdach, das einst Leben schützte, wurde zum leeren Klangkörper für Regen und Erinnerung.
Heute sind die Hallen leer. Nur vereinzelt stehen noch Töpfe herum, ein paar verblühte Reste, ein rostiger Schlauch. Und doch ist die Atmosphäre einzigartig – als hätte jemand den Ort konserviert, nicht zum Vergessen, sondern zum Wiederentdecken.
Ein Spaziergang durch einen Raum, der für das Wachstum gebaut wurde – und jetzt selbst langsam überwuchert wird. Und während der Regen weiter aufs Dach trommelt, macht die Kamera leise Klick.



































