
Ammoniak-Synthesewerk S.A.F.E.A. (2002)
Société Anonyme de Fabrication d'Engrais Azoté
Ein grauer, durchweichter Tag im April 2002. Der Himmel über Belgien hängt tief, schwer und endlos tropfend. Ich bin am Rand von La Louvière unterwegs, als ich mein Ziel erreiche: eine seit 14 Jahren stillgelegte Düngemittelfabrik. Der Regen hat keine Gnade mit mir – aber das passt. Dieser Ort verlangt nach trüber Stimmung.
Ich hatte von dieser Fabrik gehört – durch Tipps aus der Szene, über Umwege, wie es so üblich ist. Und nun bin ich hier, bereit zur Infiltration. Der Plan: Innenaufnahmen. Denn draußen ist alles nur Matsch und Grauschleier. Drinnen wird es kaum besser – das Dach ist durchlöchert wie ein Schweizer Käse, und der Regen findet mühelos seinen Weg in die riesigen Hallen. Ich bin nach wenigen Minuten durchnässt bis auf die Knochen. Aber das gehört dazu.
Was mich überrascht, ist der erstaunlich gute Zustand des Areals. Keine eingeschlagenen Fenster, keine Tags, kein Vandalismus weit und breit. Es scheint fast, als wäre die Fabrik nach ihrer Stilllegung einfach aus dem Bewusstsein verschwunden. Vielleicht liegt es an der abgelegenen Lage. Vielleicht aber auch an einem belgischen Grundverständnis für den würdevollen Verfall von Industriegeschichte.
Und genau deshalb liebe ich das urbane Erkunden in Belgien: Hier darf Rost rosten. Hier dürfen Orte vergehen, ohne dass jemand versucht, sie künstlich am Leben zu halten – oder sie mit sinnlosem Zerstörungswahn zu entweihen. Ich verbringe den Tag zwischen Hallen, Tanks, Leitungen und Kontrollpulten. Mehr als 160 Dias entstehen an diesem einen Tag. Jedes Bild ein Echo aus der Vergangenheit.
Diese Anlage war nie Teil der Schwerindustrie – das merkt man sofort. Keine gigantischen Hochöfen, keine kilometerlangen Förderbänder, keine Turbinenhäuser wie in Zechen oder Stahlwerken. Die Maschinen sind kompakter, zweckmäßig, fast unscheinbar. Aber genau das macht den Reiz aus. Hier wurde mit Ammoniak gearbeitet, und man spürt das bis heute.
Der Boden erzählt von dem, was einst verarbeitet wurde: Der Sand ist stellenweise unnatürlich blau, feucht und giftig glänzend. Der Geruch? Stechend. Eine seltsame Mischung aus Reiniger, Metall und irgendetwas, das man lieber nicht einatmet. Ich atme flach – rein instinktiv. Und beschließe, dem Boden besser keine tiefergehende Aufmerksamkeit zu schenken.
Als ich am Abend das Gelände verlasse, setzen die Kopfschmerzen ein. Dumpf. Hartnäckig. Und ganz sicher kein Zufall. Es ist, als hätte mir die Fabrik auf ihre eigene Art mitgeteilt, dass ich willkommen war – aber nicht zu lange.
Update 09/2003: Bei einem Kontrollbesuch im September fallen mir fast keinerlei Veränderungen auf. Das Objekt genießt weiterhin sein Dornröschenschlaf.
Update 07/2004: Erneuter Besuch des Objektes, diesmal in S/W. Es hat sich kaum etwas verändert. Hier und da fehlt ein Teil, einige neue Objekte entdeckt. Das Areal ist auch einen dritten Besuch wert.
Update 03/2005: Das Gelände der Ammoniakfabrik wird saniert. Das Projekt SPAQUE, von EU-Gelder gefördert, wird die Sanierung durchführen. Bedeutet das auch den Abriss dieser wirklichen "Ruhestätte" der Industriekultur?
Update 11/2005: Aus Szenenkreisen hört man, dass der Abriss nun begonnen hat.
Update 01/2008: SAFEA la Louviere ist seit 2007 komplett abgerissen worden.















































































