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Maison Decay (2025)


Mitten auf dem Land, dort wo Straßen mehr aus Staub als aus Asphalt bestehen und die Zeit sich etwas mehr Zeit lässt, finde ich ihn: einen alten Vierkanthof, eingebettet in ein kleines Dorf, das kaum noch jemand auf der Karte sucht.

Ein erster Blick – nüchtern. Stallungen, wie man sie kennt. Ein Innenhof, der Geschichten erzählt, aber keine lauten. Und doch bleibe ich. Ein Jahreskalender von 2010, vergilbt und schief hängend, deutet darauf hin, dass hier vor über einem Jahrzehnt der letzte landwirtschaftliche Betrieb eingestellt wurde.

Ich trete durch eine knarrende Tür – und plötzlich wird aus Routine eine Überraschung. Das Wohnhaus wirkt wie aus der Zeit gefallen. Möbel stehen noch an ihrem Platz, als hätte man nur kurz das Haus verlassen. Der gedeckte Esstisch steht wie für Gäste bereit – oder für ein imaginäres Urbex-Café. Teller, Tassen, Servietten – fast zu inszeniert, um wahr zu sein. Und doch: ganz real. Der Vandalismus hält sich in Grenzen, was in dieser Zeit schon fast einem Wunder gleicht.

Im Obergeschoss endet der Aufstieg abrupt. Die Treppe fehlt – verbrannt oder entfernt. Auch das Dach ist nicht mehr da. Nur verkohlte Balken, Reste von Ziegeln. Der Brand muss heftig gewesen sein. Und doch hat das Haus überlebt. In Teilen. In Fragmenten.

Zwischen Papieren auf einem alten Schreibtisch finde ich notarielle Dokumente aus dem Jahr 1888. Eingerissen, aber lesbar. Die Tinte verblasst, aber der Inhalt schwer: Besitzübertragungen, Namen, Stempel. Hier wurde gelebt, gelitten, gearbeitet. Und nun – vergessen.

Für mich ist Maison Decay mehr als nur ein weiteres Objekt. Es ist ein Anfang nach Jahren der Pause. Fünf Jahre lagen zwischen meinem letzten Foto und diesem Moment. Fünf Jahre, in denen andere Dinge wichtiger waren. Oder lauter.

Doch hier, mit der Kamera in der Hand und dem Geruch von altem Holz in der Nase, kehrt etwas zurück. Die Neugier. Die Ruhe. Das Sehen. Ich brauche nur wenige Minuten, um mich wieder einzufinden. Bedienung, Gefühl, Blick – alles noch da.

Ich bin zurück.
Und das ist ein leiser, aber schöner Satz.



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