
Die Krypta (2009)
Einige Meter unter der Erde, im fahlen Licht vereinzelter Deckenöffnungen, öffnet sich mir eine traurige, fast vergessene Welt.
Ich befinde mich in einer weitläufig angelegten Krypta – einem unterirdischen Gräberfeld, dessen Zeit längst stillsteht. Seit den 1980er Jahren fanden hier keine Bestattungen mehr statt. Der Ort lebt nur noch in den Erinnerungen derer, die ihn einst kannten. Und in Momenten wie diesem.
Ein modriger, erdiger Geruch liegt in der Luft. Feuchtigkeit tropft von den Wänden, sammelt sich in flachen Pfützen auf dem Boden, lässt die Temperatur in die Knochen kriechen. Von der Welt da oben ist kaum noch etwas zu spüren. Nur gelegentlich dringen gedämpfte Sprachfetzen, Trittgeräusche oder ein fernes Vogelzwitschern vom darüberliegenden Friedhof zu mir. Zeichen der Normalität – nur wenige Meter entfernt, und doch vollkommen entrückt.
Eine kalte Stille erfüllt den Raum. Die Mauern sind vom Frost aufgebrochen, der Stein bröckelt. Alles atmet vergangene Zeit. Ich gehe weiter, Schritt für Schritt – und frage mich: Wer liegt hier? Sind es Kinder, die einst keine Chance hatten gegen Krankheit, Krieg, Armut? Ist es die Generation unserer Urgroßeltern, deren Namen längst verblasst sind?
An den Gräbern: vergilbte Kunstblumen, eingesunken in Staub, umwoben von Spinnweben. Zeugen vergangener Besuche. Gesten, die heute niemand mehr wiederholt.
Mit jedem Meter wächst in mir eine zartbittere Traurigkeit, die sich langsam, aber beharrlich in mir ausbreitet. Es ist keine Angst – eher eine stille Ohnmacht. Eine Ahnung davon, dass auch ich eines Tages in der Erde liege, unter fremden Schritten, in der Stille nach dem Lärm.
Nach zwei Stunden steige ich wieder empor. Das Licht des Tages empfängt mich wie ein Fremder. Die Welt ist dieselbe – aber ich bin es für einen Moment nicht. Die Traurigkeit legt sich langsam, schüttelt sich ab wie ein Nebel.
Aber der Eindruck bleibt.
Diese Krypta, heute denkmalgeschützt, wurde 1878 erbaut.
Und doch: Der Verfall nagt, leise und stetig. Wenn sich niemand kümmert, wird auch dieses Zeugnis vergangener Leben irgendwann verschwunden sein. So wie die Menschen, die es einst schufen.
Und ich war für einen kurzen Moment Zeuge.

























































