
Keramikfabrik Welkenraedt (2004)
Herbst 2004. Der Wind weht kühl durch die Felder rund um das kleine belgische Dorf Welkenraedt, irgendwo zwischen grünen Hügeln und rostenden Schienen. Dort, wo einst Maschinen lärmten und Öfen glühten, stehen nur noch die traurigen Überreste einer einst stolzen Industrie: Welkenraedt Ceramic – eine Keramikfabrik, die Geschichte hatte. Und Geschichten.
Stillgelegt wurde das Werk im Jahr 2003. Kaum ein Jahr später ist von seinem früheren Glanz nur noch wenig übrig. Die Gebäude wirken ausgeweidet, entkernt – als hätte man die Seele des Ortes herausgerissen und nur die Hülle dagelassen. Und trotzdem: Etwas bleibt.
Einige der alten Brennöfen stehen noch. Riesige Hallen, in denen früher Ton, Glasur und Feuer zusammenfanden, ragen wie Kathedralen aus Beton in den trüben Herbsthimmel. Der Hallenboden ist übersät mit Staub, Scherben und den Resten einer industriellen Vergangenheit, die sich nicht ganz auslöschen lässt. In der Luft liegt ein feiner, fast süßlicher Geruch – eine Mischung aus Ton, Maschinenöl und Verfall.
Im Bürotrakt finde ich offene Schränke, zerschlissene Stühle und fliegende Blätter. Alte Akten, vergilbt und durchnässt vom hereinziehenden Regen. Zwischen Statistiken und Lieferscheinen entdecke ich Hinweise auf die lange Geschichte des Werks: Die Ursprünge reichen zurück bis in die 1930er Jahre – in eine Zeit, in der Belgien industriell aufblühte, und Keramik mehr war als nur Fliese: Sie war Exportgut, Design, technisches Know-how.
Noch bis zuletzt wurde hier geforscht und produziert. Zwei neue, rutschhemmende Bodenfliesen – so steht es in einem internen Entwicklungspapier – sollten den internationalen Markt erobern. Es klingt fast wie ein letztes Aufbäumen. Ein Versuch, sich gegen das wirtschaftliche Aus zu stemmen. Vergeblich.
Heute ist es still. Nur der Wind pfeift durch zerbrochene Fenster, Vögel nisten unter dem Dach. Und wir – Urban Explorer, Spurensammler, Augenzeugen – betreten Orte wie diesen mit Respekt und Neugier. Hier, wo früher Fließbandarbeiter ihre Schichten beendeten, fotografiere ich heute den Schatten einer Industrie, die langsam verschwunden ist.
Welkenraedt Ceramic ist kein Ort für Spektakel. Kein dramatischer Lost Place. Es ist eher ein stiller Abschied. Ein Ort, an dem Vergangenheit langsam, aber würdevoll verstaubt. Und genau darin liegt seine Schönheit.
In der Keramikfabrik war ich auch mit einer Videokamera unterwegs und habe einen kleinen Film gemacht.























