Stacks Image 24

The Tree Mansion (2012)


Gerade rechtzeitig vor einem aufziehenden Gewitter erreiche ich ein einsames Haus, umgeben von weiten Feldern. Ein Haus, wie es viele Menschen sich wünschen würden – Rückzug, Ruhe, Natur. Wenn da nicht diese Autobahn wäre, die in kaum erträglicher Nähe vorbeiführt, laut, atemlos, ein ständiger Reminder der Gegenwart.

Durch die offenstehende Haustür betrete ich das verlassene Gebäude. Zur Linken: Küche und Bad. Zur Rechten: ein Schlafzimmer mit wuchtigen Holzbetten, auf denen Matratzen liegen, die mit Stroh gefüllt sind – ein Relikt aus einer Zeit, die fast schon vergessen scheint.

Ich gehe die knarrende Treppe hinauf. Schritt für Schritt. Und dann – bleibe ich stehen.

Ein Duft.
Ein einziger Duft.
Und plötzlich ist alles anders.

Binnen Sekunden reißt mich der Geruch in eine andere Welt. In eine andere Zeit. Ich setze meine Kamera ab, lasse mich auf den Holzfußboden des Obergeschosses sinken, schließe die Augen – und bin nicht mehr hier.

Ich bin im Jahr 1988.
Ein berauschender Sonntagnachmittag, irgendwo zwischen Kindheit und Erwachsenwerden. Ich stehe im Flur eines Bauernhauses in Medehop, draußen rauschen die großen Bäume im warmen Wind. Die Sonne fällt durch die Gardinen. Und Astrid steht vor mir. Sie nimmt mich in den Arm, mit dieser stillen, bedingungslosen Wärme, die kein Wort braucht.

Alles ist gut.
Nichts tut weh.
Meine Traurigkeit ist plötzlich kein Zustand mehr – nur noch ein Adjektiv, das niemand mehr benutzt.

Ich schwebe. Nicht körperlich. Aber durch Raum und Zeit. Fast schwerelos. Eingehüllt in Licht, in Klang, in etwas, das so lange verloren schien – und plötzlich wieder da ist.

Ich weiß nicht, wie lange ich dort sitze. Der Holzfußboden unter mir. Die Erinnerung in mir. Irgendwann stehe ich auf, schwerfällig, wie nach einem Traum, der zu schön war, um wahr zu sein. Ich wische mir ein paar Tränen aus dem Gesicht. Nicht aus Schmerz. Aus Dankbarkeit.

Draußen zieht das Gewitter weiter. Der Regen lässt nach. Die Geräusche der Welt kehren zurück.

Ich nehme meine Kamera wieder in die Hand.
Mache ein paar Aufnahmen.
Nicht mehr, um zu dokumentieren.
Sondern, um festzuhalten, was nicht festzuhalten ist.

Manchmal sind es nicht die Bilder, die bleiben.
Sondern ein Geruch.
Ein Name.
Ein Moment.

Stacks Image 6606
Stacks Image 6608
Stacks Image 6610
Stacks Image 6612
Stacks Image 6614
Stacks Image 6616
Stacks Image 6618
Stacks Image 6620
Stacks Image 6622
Stacks Image 6624
Stacks Image 6626
Stacks Image 6628
Stacks Image 6630
Stacks Image 6632
Stacks Image 6634
Stacks Image 6636
Stacks Image 6638
Stacks Image 6640