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Hotel Schwarzeck (2009)


Ein später Nachmittag, irgendwo tief im Osten. Die Sonne hängt bereits tief über den endlosen Landstraßen, als ich mein Ziel erreiche: das Hotel Schwarzeck. Schon von Weitem wirkt das Anwesen wie aus der Zeit gefallen – ein Relikt aus der Ära der Reisebusse, Kegelklubs und Silvestergalas mit halbtrockener Bowle.

Einchecken muss ich nicht. Alle Zimmer sind frei. Die Rezeption menschenleer. Die alten Keyboards auf dem Tresen, ein vergilbtes Faxgerät und eine Registrierkasse aus den 80ern erzählen still davon, dass hier einmal jemand gearbeitet hat. Vielleicht ein junger Mann in weißem Hemd und Fliege, der Gäste mit einem Lächeln begrüßte. Heute hört man nur das Klirren der Scherben unter den Schuhsohlen.

Ein Haus im freien Fall

Der Vandalismus ist, wie so oft, am schlimmsten im Erdgeschoss. Die große Lobby, einst vielleicht ein Ort für Sektempfänge oder Reisegruppen mit Rollkoffern, ist heute nur noch eine Trümmerlandschaft. Und trotzdem: Je weiter ich mich durch das verwinkelte Gebäude bewege, desto leiser wird es. Ich höre mein eigenes Atmen. Spüre, wie sich das Haus langsam öffnet – als wolle es sich noch ein letztes Mal zeigen.

In den oberen Stockwerken ist der Verfall subtiler. Verblasste Tapeten mit geometrischen Mustern. Ein Nachtkästchen mit einem abgegriffenen Gästebuch. „Silvester 1991 – wir kommen wieder! Liebe Grüße, Familie W.“ Sie sind wohl nicht mehr gekommen.

Der Spieltrieb der Vergangenheit

Im Untergeschoss stoße ich auf die alte Spielhalle – zwei Stockwerke Kirmes, Vergnügen und Flucht vor dem Alltag. Spielautomaten, Buzzer, Flipper. Sie stehen da, als würden sie nur auf eine Münze warten. Doch alle Bildschirme bleiben schwarz. Der Strom ist schon lange ausgegangen. Im Nebenraum entdecke ich die Reste einer Diskothek, der Boden übersät mit Glasscherben und Taktstrichen der Vergangenheit.

Ich setze mich für einen Moment auf eine zerschlissene Sitzbank. Der muffige Geruch von Rauch, Bier und Parfum hängt immer noch in der Luft. Und ich erinnere mich. Nicht an diesen Ort – aber an einen ganz ähnlichen. An meine eigene Jugend. An Nächte, in denen man sich unbesiegbar fühlte. An Tanzflächen, auf denen das Leben lauter war als die Musik.

Ein Flackern, dann Dunkelheit

Nach gut drei Stunden mache ich meine letzten Aufnahmen. Die Sonne ist längst verschwunden, der Wind pfeift durch die zerbrochenen Fenster. Im ehemaligen Frühstücksraum flackert kurz ein Lichtschein auf – oder war es nur eine Spiegelung? Ich bleibe stehen. Höre. Nichts. Vielleicht ein technischer Reflex, vielleicht ein Echo aus der Vergangenheit.

Ich trete durch die Küchentür wieder hinaus ins Freie. Der Kies knirscht unter meinen Schuhen. Hinter mir liegt ein Ort, der mehr war als ein Hotel. Ein Raum voller Erinnerungen, deren Besitzer längst ausgecheckt haben.



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