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Villa Branca (2008)


Auch in der Schweiz ist der Abrisswahn längst keine unbekannte Größe mehr. Historische Bauten weichen glattgezogenen Visionen eines maximal profitablen Jetzt. So auch im Kanton Tessin, wo die ehrwürdige Villa Branca – auch bekannt als Villa Maria – in prächtiger Seelage einem Renditeobjekt geopfert wird.

Lokale Initiativen kämpften für den Erhalt, sprachen von einem Weinbaumuseum, einer Kulturstätte, einem Ort mit Geschichte. Doch Geschichte zählt nicht in Quadratmetern. Und so bleibt von diesen Ideen: nichts. Die Devise heißt: Platz schaffen – für luxuriöse, aber verwechselbare Hotels, die versprechen, was sie überall versprechen. Nur eben ohne Seele.

Die Villa wurde 1912 fertiggestellt, ursprünglich als Kellerei, ein funktionsorientierter Bau mit regionalem Charakter. Doch bereits zehn Jahre später erhielt das Gebäude durch den Architekten Americo Marazzi seine endgültige Gestalt – ein Ausdruck repräsentativer Eleganz mit italienischem Einfluss. Branca bekam ihr Gesicht.

Während im Untergeschoss der Wein gekeltert wurde, nutzte man die oberen Etagen zur Repräsentation des Weinguts. Besucher wurden empfangen, Gäste logierten, Geschäfte wurden besiegelt – zwischen Säulen, Deckengemälden und reich verzierten Kaminen.

Noch heute, Jahrzehnte nach ihrer Schließung, verströmen die Räume einen Hauch von Luxus. Der Putz blättert, doch die Würde bleibt. Die Tapeten lösen sich, doch man spürt noch immer das Flüstern einer vergangenen Zeit.

1981 wurde Villa Branca verlassen. Mit dem Tod von Adele Branca, der letzten Bewohnerin, verstummte das Haus. Seither steht es leer – vergessen, belächelt, umkämpft.

Heute ist die Villa ein Schatten ihrer selbst – und zugleich ein Denkmal. Nicht geschützt, aber bedeutend. Die Stille zwischen ihren Mauern spricht lauter als jede Investorenbroschüre.

Ein Weinbaumuseum wird es nicht geben.
Die Lobby ist zu schwach. Das Kapital zu laut.

Was bleibt, ist die bittere Erkenntnis, dass selbst ein solch bedeutender Ort nicht gegen den Zeitgeist ankommt, wenn dieser in Beton gießt und in Excel rechnet.

Und ein letzter Blick vom Balkon der Villa hinunter auf den See.
Wasser. Himmel. Licht.
Eine Landschaft, die alles erzählt –
nur eben bald ohne Villa Branca.

Links zum Thema:
- Villa Branca vom
Spurensammler zur selben Zeit aufgenommen
- Winzer-Nachfahre der Familie Branca, Bericht aus der
NZZ.
-
Urbex-NL
- Ein Brand zerstört die Villa

Update 08/2010: Chris berichtet bei seinem Besuch in der Region vom Abriss der Villa. Es sieht alles nach einem Neubau aus.

Update 05/2012: Per eMail erreichen mich zwei Links zum aktuellen Schicksal der Villa. Vielen Dank an Karlheinz für die Infos.
Eine Stadt im Abrisswahn (NZZ Online). Abbildungen der zu bauenden "Residenza Villa Branca" auf einer Immobilienseite. Der Bau soll 2013 fertiggestellt sein.

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