
Villa Stockmanns (2012)
Es ist früher Morgen, als ich die Villa Stockmanns erreiche. Die Sonne ist noch zaghaft, der Nebel hängt in den Wiesen, und das Anwesen liegt beinahe verborgen unter einem dichten, grünen Mantel: Efeu, der sich wie ein geheimer Wächter um Mauern und Fenster windet.
Wie viele Jahre mag dieses Haus bereits leerstehen?
Wie lange hat hier niemand mehr gewohnt, niemand mehr ein Fenster geöffnet, niemand mehr das Laub vom Weg gefegt?
Der erste Eindruck ist überraschend still – nicht bedrohlich, nicht unheimlich, sondern eher, als würde man in eine Pause eintreten, die schon viel zu lange dauert.
Ich finde einen offenen Zugang – und trete vorsichtig ein.
Innen zeigt sich die Villa in einem überraschend aufgeräumten Zustand. Das Erdgeschoss ist vollständig möbliert: schwere Sessel, geschnitzte Vitrinen, ein Tisch mit einer angegilbten Tageszeitung. Alles steht so, als hätte man das Haus irgendwann einfach verlassen – ohne Hast, aber auch ohne Aussicht auf Rückkehr.
Der erste Stock hingegen ist leer.
Besenrein, sagt man wohl. Kein Müll, keine Möbel – nur Räume, die wieder atmen.
Vielleicht wurde hier mit einer Teilräumung begonnen, vielleicht war dies der private Rückzugsort, der zuletzt nicht mehr betreten wurde.
Ein kleiner Fehler meinerseits macht sich bemerkbar: Ich habe mein Stativ im Auto gelassen – aus Bequemlichkeit, aus Übermut, oder schlicht, weil der Tag so früh begann.
Die Strafe folgt prompt: verrauschte Bilder, viel Ausschuss, wenig Reserve.
Aber manchmal entstehen gerade in der Improvisation die besten Motive.
Freihand erlaubt Perspektiven, die man mit aufgestelltem Stativ nie eingenommen hätte. Ich finde neue Blickwinkel – schräger, näher, mutiger. Und so bleibt dieser Besuch trotz technischer Kompromisse in Erinnerung.
Villa Stockmanns ist kein spektakulärer Ort.
Aber einer mit Haltung. Mit Würde.
Und mit dem leisen Wunsch, nicht vergessen zu werden.



























