
Das Waisenhaus (2009)
Mein erster Eindruck beim Betreten der ehemaligen Unterkunft war ernüchternd.
Vandalismus, Scherben, Müll. Die üblichen Spuren, wenn ein Ort zu lange sich selbst überlassen bleibt. Die Baracken des einstigen Waisenhauses lagen still in der Mittagssonne, und ich fragte mich, ob sich der Besuch überhaupt lohnen würde.
Doch wie so oft braucht es nur einen Moment. Einen Perspektivwechsel. Ich hole die Kamera heraus – fast aus Routine – und beginne, mich durch die Räume zu bewegen. Und plötzlich öffnet sich mein Blick.
Bunte Tupfer im Staub
Zwischen umgestürzten Stühlen und beschmierten Wänden liegen sie:
Kuscheltiere, Spielzeug, Bilderbücher. Nicht einfach achtlos entsorgt – eher liegen gelassen, vergessen, vielleicht auch fluchtartig zurückgelassen. Teddybären, denen ein Auge fehlt. Spielzeugautos mit gebrochenen Rädern.
Wie viele Kinderhände haben sie gehalten?
Wie viele Tränen wurden hier getrocknet – unter dem Mantel eines Plüschtiers?
In dieser Umgebung gewinnen Kleinigkeiten Bedeutung.
Ein Lätzchen auf dem Boden.
Eine Kinderzeichnung an der Wand.
Eine aufgeschlagene Bibel auf einem winzigen Nachttisch.
Die Fragen, die bleiben
Das Waisenhaus wurde 2003 geschlossen.
Was aus den Kindern wurde, die hier gelebt haben – es ist nicht bekannt.
Wurden sie gut untergebracht? Konnten sie irgendwo Wurzeln schlagen?
Oder hat man sie weitergereicht – von System zu System?
Ich werde es nicht erfahren.
Was bleibt, sind Spuren – und viel zu viele Fragen.
Zerfall, Zynismus und Zigarettenrauch
Im Obergeschoss: leere Matratzen, aufgestapelte Stühle – und der Nachhall eines Nacktshootings, das hier kürzlich stattfand. Daneben Jugendliche, die in den leerstehenden Schulbaracken Joints rauchen. Worte wie „Waisenhaus“ oder „Kinderheim“ scheinen für sie keine Bedeutung zu haben. Die Geschichte dieses Ortes ist nur noch Kulisse – für Konsum, Verfall, Eskapismus.
Nachdenklich, nicht inspiriert
Nach knapp dreißig Minuten verlasse ich den Ort wieder. Meine Kamera ist gefüllt mit Bildern, die mehr Fragen aufwerfen als beantworten.
Der stille Staub liegt wieder auf den Fluren. Nur ein Teddybär blickt mir hinterher – mit einem Knopfauge und einem halben Ohr. Vielleicht ist er der letzte Zeuge einer Zeit, die hier irgendwann einmal versucht hat, Geborgenheit zu sein.















































