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Château des Heures (2011)


Manchmal sind es die entlegenen Orte, die am lautesten sprechen. Tief eingebettet in einen dichten Wald, nicht weit entfernt von einem Atomkraftwerk, steht ein Bauwerk, das viele Namen trägt – und viele Geschichten. Château des Heures, Château Rouge, Château Bambi, Hotel Torrance, Red Castle, Hotel Rogue… jedes dieser Alias-Namen erzählt ein anderes Kapitel. Was sich aber konstant durchzieht: Der Ort hat Charakter. Und Geheimnisse.

Das schlossähnliche Anwesen aus rotem Backstein und hellem Kalkstein wurde 1889 erbaut – als Privatresidenz. Damals war es ein mutiger Neuanfang, denn an genau dieser Stelle stand zuvor ein barockes Schloss aus dem 17. Jahrhundert, das einem Brand zum Opfer fiel. Man entschied sich für einen kompletten Neubau – imposant, edel und mit einer deutlichen Handschrift der Zeit.

Ab 1997 schlug das Château ein neues Kapitel auf: Es wurde in ein exklusives Tagungshotel verwandelt. Abgeschottet und ruhig gelegen, bot es den perfekten Rahmen für Workshops, Meetings und Klausurtagungen – fernab des urbanen Lärms, umgeben von Natur und Stille. Doch wie so oft machte der Kostendruck dem ambitionierten Konzept einen Strich durch die Rechnung. Der Hotelbetrieb war nicht lange rentabel.

Was dann folgte, ist eines dieser berüchtigten Kapitel, das in Urbex-Kreisen für Stirnrunzeln sorgt: Das Château wurde – zumindest für eine Zeit – zur Wirkungsstätte des ältesten Gewerbes der Welt. Und plötzlich ergab auch der Name Heures Sinn. Ein diskreter Hinweis auf das, was sich hier in den späteren Jahren möglicherweise abspielte.

Heute steht das Château leer – aber nicht leergeräumt. Ganz im Gegenteil: Ich war überrascht, wie vollständig es noch möbliert ist. Die Zimmer wirken fast bewohnt. Betten sind gemacht, Vorhänge hängen, der Tisch im Esszimmer ist gedeckt – als würde gleich jemand zur Tür hereinkommen. Es ist diese stille Inszenierung, die gleichzeitig faszinierend und verstörend ist. Nichts wirkt zerstört oder geplündert. Fast so, als wäre die Zeit einfach stehen geblieben.

Der umliegende Wald spielt dabei eine entscheidende Rolle. Wie ein natürlicher Schutzschild hält er neugierige Spaziergänger und Zufallsbesucher fern. Wer hierherkommt, hat es vor. Und braucht eine gewisse Entschlossenheit.

Ein Ort zwischen Romantik und Skandal, Vergangenheit und Verfall. Und ein weiteres Kapitel in der Sammlung jener Bauwerke, die uns daran erinnern, dass Schönheit oft in der Stille liegt – und im Staub.

Links zum Thema:
Spurensammler
Scholzdigital
Lost Adventures



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