Stacks Image 24

Möbelhaus Unger (2011)


Es gibt Lost Places, die wehren sich mit Händen, Füßen und Alarmanlagen. Das ehemalige Möbelhaus Unger im Norden Bochums war so ein Fall. Zwölf Jahre lang stand es leer – aber nicht unbeobachtet. Bewegungsmelder, Sicherheitsdienst und ein Standort, der sich kaum unauffällig betreten ließ, sorgten dafür, dass das Gebäude lange Zeit auf den Wunschlisten der Szene ganz oben stand… und trotzdem unbesucht blieb.

Der Grund für diese Hochsicherheit war durchaus nachvollziehbar: Nach der Schließung diente das riesige Gebäude noch einige Jahre als Lagerfläche für eine bekannte Elektrokette mit mehreren Standorten in der Region. Erst als die Abrissbagger anrückten, war der Bann gebrochen.

Gemeinsam mit einem Arbeitskollegen nähere ich mich dem Ort auf legalem Umweg – über einen Bauwagen. Dort sitzen mehrere Bauarbeiter bei der Pause, der Duft von Tee und mitgebrachten Stullen liegt in der Luft. Ein kurzer Plausch, ein freundlicher Hinweis: Der Vorarbeiter sei oben, im zweiten Stock. Also los.

Wir finden ihn schließlich, wie er mit einem kettengetriebenen Fahrzeug Teppichreste in große, schmatzende Haufen zusammenschiebt. Der Mann ist hilfsbereit, ruft seinen Chef an – und kurz darauf haben wir grünes Licht: Wir dürfen fotografieren.

Nur eines ist unmöglich: Stativaufnahmen. Denn bei jedem Manöver des Vorarbeiters vibriert das ganze Gebäude. Der Beton bebt, als wollte er noch einmal zeigen, dass hier früher richtig was los war.

Früher – das war zu den besten Zeiten von Möbel Unger. Riesige Etagen voller Wohnwände, Esszimmermöbel, Flokati-Teppiche und günstiger Schminktische. Jetzt: leere Hallen. Betonwände. Das Echo der Vergangenheit. Ich wandere mit der Kamera durch alle Ebenen – vom dunklen Untergeschoss bis zum obersten Verkaufsbereich.

Die Spuren der Vergangenheit sind rar, aber da. Ein paar verblasste Werbeschilder für die Küchenabteilung, ein Hinweis auf “Jugendzimmer Top-Angebote”, eine verstaubte Kassette für die Hintergrundmusik. Im ehemaligen Kassenbereich: eine leere Geldkassette, ein Stempelautomat, und das merkwürdige Gefühl, dass hier einst Menschen acht Stunden am Tag Kundengespräche führten – bis plötzlich alles vorbei war.

Denn das ist auch Teil dieser Geschichte: Möbel Unger war einmal eine große Nummer. Ein Traditionsunternehmen mit Wurzeln bis ins Jahr 1875. Durch kluge Entscheidungen und clevere Zukäufe wuchs die Firma rasant. 1975, zum 100-jährigen Jubiläum, erwirtschaftete man stolze 80 Millionen D-Mark Umsatz. Nur zehn Jahre später lag der Umsatz bei 320 Millionen – Unger war das größte Möbelhaus-Filialunternehmen in Norddeutschland.

1990 dann ein strategischer Bruch: 49 % der Anteile gehen an die Asko-Gruppe. Zwei Jahre später übernimmt Metro die Asko – und leitet damit ungewollt das Ende von Möbel Unger ein. 1999 schließt die letzte Filiale. In ihr kämpfen bis zuletzt fast 100 Mitarbeitende um ihre Arbeitsplätze. Vergeblich.

Jetzt ist alles still. Was bleibt, ist ein Hauch von Größe. Und das Wissen, dass selbst die imposantesten Hallen einmal leer werden.

Links zum Thema:
Forum „
Goslarer Geschichten“ mit vielen Informationen zum Unger-Konzern.
3D-Zeichung des Möbelhauses.
Zeitungsbericht „Der Westen“ mit einem
Bericht über den bevorstehenden Abriss.

Update 01/2012: Das Möbelhaus ist nun vollständig
abgerissen worden.

Update 2022: Die Fläche des ehemaligen Möbelhauses liegt immer noch brach.

Stacks Image 17710
Stacks Image 17712
Stacks Image 17714
Stacks Image 17716
Stacks Image 17718
Stacks Image 17720
Stacks Image 17722
Stacks Image 17724
Stacks Image 17726
Stacks Image 17728
Stacks Image 17730
Stacks Image 17732
Stacks Image 17734
Stacks Image 17736
Stacks Image 17738
Stacks Image 17740
Stacks Image 17742
Stacks Image 17744
Stacks Image 17746
Stacks Image 17748
Stacks Image 17750
Stacks Image 17752
Stacks Image 17754
Stacks Image 17756
Stacks Image 17758
Stacks Image 17760
Stacks Image 17762
Stacks Image 17768
Stacks Image 17770