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Pier - Ein Dorf muss weichen (2009/2010)


DDer Energiehunger unserer Gesellschaft kennt keine Grenzen. Ganze Dörfer werden dem Tagebau geopfert. Häuser, Höfe, Kirchen, Schulen – alles wird weichen. Die Bewohner erhalten Entschädigungen. Doch was sie wirklich verlieren, lässt sich nicht beziffern.

Denn was ist Heimat?

Ein Haus. Eine Landschaft. Ein Geräusch. Ein Geruch.
Menschen. Freunde. Leid und Freude. Geburt und Tod.
All das ist an Orte gebunden.
Und wenn diese Orte verschwinden, verschwindet mehr als nur ein Stück Land.

Im Frühjahr 2009 besuchte ich das Dorf Pier – mehrfach. Ich wollte den Wandel sehen, ihn verstehen, vielleicht dokumentieren. Damals war die Veränderung bereits greifbar. 2010 lebten nur noch wenige Familien hier. Eine Handvoll Häuser waren noch bewohnt. Die anderen standen leer, verrammelt, winddurchzogen.

Die Natur begann, sich das Verlassene zurückzuholen. In den Gärten wucherten Brennnesseln über alte Sandkästen. Auf manchen Hinterhöfen hatte man das Gefühl, die Bewohner kämen jeden Moment mit Einkaufstüten zurück.

Vor dem Friedhof stand ein Leichenwagen.
Keine Trauerfeier. Keine Zeremonie.
Die Gräber wurden umgebettet, anonym, technisch, geordnet.

Das Ende ist präzise geplant:
Erst werden die Häuser geräumt. Dann folgen die Rodungen, dann die Abrissbagger. Am Ende verschwinden Straßen, Kanalisation, Leitungen – und dann ist der Boden frei. Frei für den Tagebaubagger, der alles tilgt, was je da war.

Durch die leeren Straßen zieht ein kalter Wind der Erinnerung.
Er bewegt eine Schaukel im Hinterhof, auf der nie wieder ein Kind sitzen wird.
Er streicht durch verlassene Küchen, in denen es nie wieder nach Kaffee duften wird. Kein Frühstück. Kein Gespräch. Kein Licht.

Für einige mag dies ein neuer Anfang sein.
Für die meisten ist es ein Schmerz, der bleibt.

Denn wenn die Heimat nicht mehr existiert,
wohin gehört man dann?

Update 2017: 8 Jahre nach meiner Exkursion im Ort habe ich in Google-Earth aktuelle Luftaufnahmen gesehen. Der komplette Ort ist Geschichte! Wo einst Straßen, Gärten und Häuser standen, ist nur noch eine tiefe Grube übrig. Der Tagebaubagger hat alles überrollt. Auf dem Bild rechts kann man die Straßenkarte des Ortes noch gut erkennen. Ich bin erschüttert.

Update: 2023: Auch in einem Zeitalter der nachhaltigen Energien baggert
RWE weiterhin im Rheinischen Revier. Man kann das niemanden mehr erklären, wenn sogar Windkrafträder hierfür abgebaut werden müssen. In Lützerath scheint sich die Gegenbewegung zu manifestieren.

Links:
Dokumentation Garzweiler - Verlorenes Land
Spiegel-Bericht
Wikipedia-Doku
Luzerath - Abriss trotz Energiewende
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