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Hospital Le Valdor (2005)


In den letzten Jahren habe ich fast ausschließlich industrielle Ruinen besucht – Orte voller Maschinen, Schaltpulte, öliger Stahlarchitektur. Prozesse, Abläufe, Zweckmäßigkeit. Aber Hospital Le Valdor ist anders.

Keine Zahnräder, keine Aggregate. Stattdessen: Betten. Stille. Und die Ahnung von Geschichten, die nicht erzählt wurden.
Hier wurden Menschen geboren. Hier wurden Menschen geheilt. Und hier – starben sie.
Die Atmosphäre trifft mich nicht sofort. Ich taste mich heran. Doch je tiefer ich gehe, je länger ich durch die Gänge wandere, desto mehr zieht mich etwas Unsichtbares hinein. Eine Schwere, die sich nicht benennen lässt. Und gleichzeitig dieses Gefühl:
Ich bin nicht allein.

Le Valdor wirkt von außen solide, fast statisch. Der Bau ist geprägt von regelmäßiger, geometrisch-strenger Struktur – aber im Inneren ist alles anders. Dysfunktional. Irritierend. Unlogisch. Als wäre das Gebäude selbst in einem Zustand zwischen Ordnung und Auflösung.

Die zahllosen Säle an den Außenseiten sind parallel geschaltet, verbunden durch lange, gleichförmige Gänge, in denen man schnell die Orientierung verliert. Mittig: Operationssäle, Lagerräume, Archive. Orte, an denen einst präzise gearbeitet wurde – und heute nur noch Staub liegt.

Über dem Eingang thront eine kleine Kirche – überraschend opulent, fast überdimensioniert. Ein sakraler Rest, der die funktionale Kälte des Baus kurz bricht. Hier wurde gebetet, gezweifelt, gehofft.

Das Gebäude wurde 1889 errichtet. Und es sieht so aus. Der Verfall ist tief, alt, ehrlich. Besonders in den oberen Etagen wird es gefährlich: Decken stürzen ein, Böden fehlen, Metall knarzt unter dem Gewicht des eigenen Alterns. Nur schmale Paneele sind noch begehbar – mit viel Vorsicht und wenig Vertrauen.

Es heißt, Le Valdor war einmal auch eine Nervenklinik. Die Gänge wissen mehr, als sie preisgeben. Vielleicht ist es Einbildung. Vielleicht aber auch das Echo jener, die hier festsaßen – nicht in Zellen, sondern in ihren eigenen Gedanken.

Und direkt neben diesem Ort, der voller Schatten ist, steht das neue Le Valdor. Ein 70er-Jahre-Kasten. Funktional, unspektakulär, klinisch. Die Zukunft der Medizin – direkt neben der Vergangenheit. Und doch spürt man: Die Geschichten sind geblieben.

Le Valdor heilt nicht. Es erinnert. Und es flüstert leise weiter.


Weiterführender Link:
Der
Spurensammler in Valdor

Update 12/2005: Valdor befindet sich im Abriss. Von dem Komplex wird innerhalb weniger Wochen anscheinend nichts mehr übrig sein.

Update 01/2008: Le Valdor ist nahezu komplett abgerissen und mach einem Krankenhaus-Anbau für die benachbarte neuere Klinik Platz. Die Hauptfassade nach Südosten bleibt "zeichenhaft" nahezu vollständig erhalten. Ein guter Kompromiss zwischen Denkmalschutz und Neunutzung.

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