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Château Congo (2015)


Wer sich mit Lost Places beschäftigt, kennt das Gefühl: Der Herzschlag beschleunigt sich, sobald man das Ziel erreicht. Die Luft riecht nach Moder, Staub und Geschichte. Und genau so war es beim Betreten des Château de Vyle – einem vergessenen Juwel im Nirgendwo.

Eingebettet in ein ruhiges, beinahe schläfriges Dorf irgendwo zwischen Wiesen, Feldern und knorrigen Apfelbäumen, steht das Anwesen still – aber nicht leise. Denn es erzählt Geschichten. Vom einstigen Glanz, von Verfall, von Zeit, die keine Gnade kennt.

Seinen Namen dürfte das Château der wild wuchernden Vegetation verdanken, die es inzwischen fest in den Griff genommen hat. Ranken ziehen sich über Fensterbögen, durchbrechen Türen und arbeiten sich Zentimeter für Zentimeter ins Innere vor. Die Natur macht keinen Unterschied zwischen Innen und Außen – hier gehört alles ihr.

Schon beim Zugang wird klar: Das hier ist keine ungefährliche Spielwiese. Teile des Gebäudes sind bereits kollabiert, andere wirken instabil und bereit, beim kleinsten Schritt nachzugeben. Vor allem die oberen Etagen verlangen absolute Vorsicht. Einige Räume musste ich auslassen – der Reiz des Bildes wiegt niemals so schwer wie die Gefahr für Leib und Leben. Und ja: An diesem Ort gab es schon ernsthafte Zwischenfälle. Wer hier reingeht, trägt die Verantwortung selbst.

Direkt im Eingangsbereich warten zwei alte, gepolsterte Sofasitze. Sie wirken fehl am Platz und trotzdem heimelig – wie ein improvisierter Treffpunkt. Man spürt: Hier saßen Menschen, vielleicht Jugendliche aus dem Dorf, vielleicht urbane Entdecker wie ich. Der Platz hat Atmosphäre – ein bisschen wie eine bizarre Wohnzimmer-Szene im Dschungel.

Je tiefer man in das Gebäude eindringt, desto mehr verschmilzt alles: bröckelnde Decken, zersplittertes Glas, umgestürzte Möbel, ein zerfallender Kamin. Und überall diese typischen Details, die Urbexer lieben: ein halb offener Schrank mit alten Kleidern, ein verstaubter Spiegel, ein Bettgestell, das wie zufällig zurückgelassen wirkt. Man fragt sich unweigerlich: Wer lebte hier? Warum wurde das alles zurückgelassen? Und was ist passiert?

Das Licht fällt in gebrochenen Bahnen durch teils zerfallene Fenster, der Boden knirscht, Vögel kreischen irgendwo im Gebälk. Jede Ecke schreit nach einem Foto – aber jedes Bild ist auch ein stiller Abschied. Zwei Stunden lang bin ich drin, angespannt, konzentriert, aber auch völlig im Bann dieses Ortes. Ich fotografiere, beobachte, atme Geschichte.

Am Ende gehe ich mit einem Rucksack voller Eindrücke – und einer Speicherkarte, die flüstert: Hier warst du. Und du kommst wieder. Vielleicht. Wenn das Château bis dahin noch steht.

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