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Kinderklinik Gelsenkirchen (2009)


Mitten im Grünen, am Rand von Gelsenkirchen, verborgen zwischen alten Bäumen und verwilderten Wegen, liegt ein Ort, der früher voller Leben war. Eine Kinderklinik, einst ein Zufluchtsort für kleine Menschen, die Hilfe brauchten. Jetzt: leer. Still. Ein Ort, an dem das Leben laut gewesen sein muss – und der heute fast nur noch aus Schatten besteht.

2007 wurde der Betrieb eingestellt, nachdem die Klinik mit einer anderen Fachabteilung fusionierte. Seither steht das Gebäude verlassen. Die medizinischen Geräte wurden längst entfernt, die Betten, das Personal, der Lärm – alles fort. Nur eines ist geblieben: die Spuren.

An den Fenstern kleben noch bunte Bilder – gemalte Sonnen, Tiere, Fantasiewesen mit breitem Grinsen. Auf den Wänden: Kritzeleien, Handabdrücke, kleine Kunstwerke mit Filzstift und Herz. Es ist, als hätte man versucht, der Krankheit ein bisschen Farbe entgegenzusetzen. Als wollte man sagen: Hier bist du sicher.

Ich gehe langsam durch die Gänge. Jeder Schritt hallt nach, als wolle der Ort nicht vergessen, dass er einst Stimmen kannte. Wie viele Kinder wurden hier gesund? Wie viele von ihnen gingen mit einem Lächeln nach Hause – zurück in ihr Leben, in ihre Familien?

Und wie viele schafften es nicht?

Ich kann die Frage nicht abschütteln. Ich will es nicht dramatisieren, nicht überhöhen – aber ich spüre, dass dieser Ort Geschichten kennt, die niemand mehr erzählt. Vielleicht weil sie zu traurig sind. Vielleicht weil sie zu leise waren.

Irgendwann setze ich mich auf den Boden eines der Zimmer. Einfach so. Ohne Grund. Vielleicht, weil hier einmal ein Bett stand. Vielleicht, weil hier jemand gelegen hat, der in seinem kurzen Leben schon zu viel erlebt hatte. Ich schließe die Augen. Und für einen Moment ist es, als höre ich sie.

Kinder.
Sie lachen.
Sie weinen.
Sie rufen nach Mama.
Sie spielen Arzt, während echte Ärzte im Raum daneben gegen das Unsichtbare kämpfen.

Die meisten gingen wieder.
Die meisten hatten Glück.

Aber einige gingen weiter.
Still.
Über den Regenbogen nach Hause.

Ich öffne die Augen wieder. Die Farben an der Wand sind verblasst. Doch der Ort trägt sie noch – nicht nur die Bilder, sondern die Bedeutung. Die Erinnerung. Vielleicht ist das das Einzige, was bleibt.

Und vielleicht reicht das.

Mittlerweile ist die Kinderklinik komplett abgerissen worden. In der Rubrik "
Vorher - Nachher" ist ein Bild vom Abriss zu sehen.


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