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Krupp Industrie- und Stahlbau Bürogebäude (2009)


Irgendwo in Duisburg, eingequetscht zwischen dem, was vom einstigen Industriestolz noch übrig ist, steht ein verlassener Koloss aus Glas und Stahl. Ein Gebäude, das sich bis heute nicht verstecken kann – auch wenn es seit Jahrzehnten genau das versucht. Auf dem Dach prangt noch immer das ikonische Krupp-Zeichen, blass, verwittert, trotzig. Ich kenne es unter dem Namen „Kruppsche Verwaltung“. Andere nennen es den „Glaskasten“ oder schlicht „Aquarium“.

Lange stand es auf meiner Liste. Doch wie das so ist: Ich kam zu spät. Viel zu spät.

Im Inneren ist nichts mehr von der einstigen Ordnung, dem Fortschrittsgeist oder der Eleganz der 60er Jahre zu spüren. Kein Stuhl, kein Schreibtisch, kein funktionierender Lichtschalter. Dafür: zerschlagene Fenster, gesprühte Parolen, offene Kabelkanäle. Der Vandalismus hat ganze Arbeit geleistet – wie so oft an Orten, die zu lange warten müssen.

Dabei war dieses Gebäude einmal ein Symbol für die Zukunft. 1962 erbaut, galt das fünfstöckige Bürohochhaus mit seiner vollverglasten Fassade und den lichtdurchfluteten Großraumbüros als eines der modernsten Bürogebäude Deutschlands. Über 1.000 Menschen arbeiteten hier – in der Lohnbuchhaltung für die bis zu 10.000 Kruppianer, in den Planungsbüros für das benachbarte Stahlwerk, in der Technik, in der Verwaltung.

Doch das Ruhrgebiet veränderte sich. Die Hochöfen verstummten. In Rheinhausen wurde 1993 der letzte Ofen ausgeblasen, drei Jahre später – 1996 – ging auch in der KIS-Verwaltung das Licht aus. Seitdem: Leere.

Mit etwas Geduld und genauerem Blick lassen sich hier und da noch Spuren von Arbeit entdecken: ausgeblichene technische Zeichnungen, verstaubte Ordner, lose Blätter mit Stempelfeldern und Durchschlägen. Die Böden kleben noch an den Geschichten, aber sie erzählen sie nicht mehr. Man muss sie sich denken.

Im obersten Stockwerk: massive Überbleibsel der Klimatechnik, wuchtige Fahrstuhlmotoren, die einmal das Rückgrat des vertikalen Verkehrs waren. Der Blick aus den zerborstenen Fenstern über Rheinhausen ist immer noch beeindruckend. Ruhrgebietspanorama mit melancholischem Weitwinkel.

Im Untergeschoss wartet eine andere Erinnerung: die ehemalige Kantine. Fettgeruch klebt noch immer an den Wänden – alt, ranzig, aber irgendwie vertraut. Man kann sich vorstellen, wie hier einst Currywürste dampften und Kaffeetassen klirrten. Heute nur noch Stille. Und Echo.

Was bleibt, ist ein Bauwerk, das einst für wirtschaftliche Stärke und technischen Fortschritt stand – und heute für den langen Schatten, den industrielle Strukturbrüche werfen.

Der Glaskasten ist kein Denkmal. Er ist Mahnmal. Und Momentaufnahme. Ein Ort, an dem das Ruhrgebiet noch einmal tief durchatmet – bevor es weiterzieht.

Update 07/2016: Ja - das Bürogebäude steht noch. Es sind jedoch keinerlei heile Scheiben mehr zu finden, der tägliche Vandalismus hat auch hier erschreckende Arbeit geleistet. Das KIS mit den daneben stehenden Backsteinhäusern wird aktuell versteigert.
Die WAZ berichtet darüber.
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