
Château Noisy (2005)
Der offizielle Name dieses Ortes lautet Château Miranda, doch in der Urbex-Szene ist es eher bekannt als Château Noisy. Ein Ort mit so viel Geschichte, dass man gar nicht weiß, wo man beginnen soll – und so viel Verfall, dass man fast nicht mehr glauben mag, wie es einmal war.
Erbaut wurde das Anwesen 1866, im Stil der Neogotik, von keinem Geringeren als dem englischen Architekten Edward Milner. Tragisch: Milner sollte die Fertigstellung seines Bauwerks nie erleben – er starb noch vor der Vollendung.
Zunächst diente das Schloss als Sommerresidenz der Adelsfamilie Liedekerke de Beaufort, deren Name eng mit der Region verknüpft ist. Während des Zweiten Weltkriegs wurde das Schloss von der deutschen Wehrmacht besetzt, wie so viele markante Bauten jener Zeit. Danach kehrte die Familie noch einmal zurück – doch nicht für immer.
1958 endet die private Nutzung. Danach wird das Schloss einer neuen Funktion zugeführt – und das auf seine Weise charmant: Es wird zum Ferienheim für Kinder belgischer Bahnmitarbeiter. Die Hallen, in denen einst der Adel speiste, füllen sich nun mit Kinderlachen. Auch das ist Geschichte.
Seit 1991 ist das Château offiziell verlassen.
Was bleibt, ist ein Ort, der von außen noch immer den Anschein von Stolz und Größe vermittelt – doch von innen ist es ein anderer Anblick.
Einige Etagen sind bereits eingestürzt, Decken durchgebrochen, und auch der Boden ist in weiten Teilen alles andere als vertrauenswürdig. Nur die Großküche wirkt noch, als hätte man sie zuletzt genutzt – vielleicht für das letzte Essen, bevor das Kapitel endgültig geschlossen wurde.
Es wirkt beinahe so, als hätte man mit Renovierungsarbeiten begonnen – nur um sie dann abrupt wieder aufzugeben. Kabel hängen aus den Wänden, Mauerwerk wurde aufgestemmt und nie wieder verschlossen.
Das Schloss ist über 1.000 m² groß, der Uhrenturm ragt 56 Meter in den Himmel. Und: Es hatte einst 550 Fenster. Heute stehen viele davon offen – zerbrochen, leer, von Efeu umrankt.
Der Zustand ist ernst. Sehr ernst.
Steine lösen sich aus den Wänden, Geräusche von oben lassen einen automatisch zur Seite treten. Hier ist ständige Vorsicht kein Stilmittel, sondern Überlebensstrategie.
Und dann gibt es da noch die Sache mit den Fasanen.
In der Umgebung des Schlosses werden sie gezüchtet, und der zuständige Förster versteht dabei keinen Spaß. Wer hier nicht gesehen werden will, sollte früh sein, leise sein – oder einfach Glück haben.
Trotz allem bleibt das Château ein Ort von unwiederbringlicher Schönheit. Ein Denkmal, ein Gespenst, eine Erinnerung. Und wie so oft stellt sich am Ende die Frage:
Was sind wir hier eigentlich – Eindringlinge, Dokumentierende, Trauernde?
Vielleicht alles zugleich.
Update 03/2006: Ein erneuter Besuch des Anwesens, um einige Videoaufnahmen zu machen. Der gefährliche bauliche Zustand des Chateau ließ jedoch kein Aufenthalt in den oberen Stockwerken zu, leider musste ich abbrechen.
Update 05/2007: Auch dem Schloss Noisy geht es an den Kragen. Wie aus der Szene berichtet wird, ist das Dach des Pferdestalls inklusive des Nebengebäudes eingestürzt. Fast alle Räume im Haupthaus wurden entkernt, selbst die Kellerräume sind entleert worden. Im Treppenhaus wurden Geländer und Deckenverzierungen zerstört. Treppenstufen wurden entfernt, was das Vorrücken in die oberen Stockwerke fast unmöglich macht. Wird das neogotische Schloss doch noch abgerissen?
Update 02/2010: Aus den Szenekreisen erhalte ich die Meldung, dass das Château Noisy brennt. Im Keller scheint ein Feuer ausgebrochen zu sein, welches sich nach oben durchfrisst. Da waren wohl wieder Idioten am Werk?
Update 10/2016: Berichten zufolge steht das Schloss Noisy kurz vor dem Abriss. Es sollen bereits Kräne in Position gebracht worden sein. Im Netz taucht ein Interview mit dem Besitzer von Noisy auf. Es stehen ihm keine Mittel zur Verfügung, um das Chateau zu sanieren. Dieses Vorhaben würde wohl 25 Millionen € kosten. Auch kann sich Graf von Liederke Beaufort nicht vorstellen, diese Kosten durch Eintrittsgelder oder ähnlichem zu decken. Eine öffentliche Förderung scheint es ebenfalls nicht zu geben. Im Interview spricht der Graf von dem Jäger, der anscheinend zusammengeschlagen und in die Notaufnahme gebracht worden ist.
Update 10/2017: Im Oktober 2016 begann der Abriss des Schlosses. Kurz nach Beginn der Arbeiten erfolgte ein Stopp, weil man Fledermäuse im Schloss gefunden hatte. Im Oktober 2017 war das Objekt dann aber vollständig angerissen worden.
Links zum Thema:
Historische Bilder und Fakten - eine Referenz
Zur selben Zeit am selben Ort - der Spurensammler
Wikipedia zum Thema

















































