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Hotel Ponale


Ein Herbsturlaub am Gardasee brachte mich zu einem Ort, der schon lange auf meiner Bucket-Liste stand – das Hotel Ponale, auch bekannt als Casa della Trota („Haus der Forelle“). Wer über den Brenner anreist, durch Riva del Garda fährt und die serpentinenreiche Straße nach Limone nimmt, bekommt nur für einen flüchtigen Augenblick einen Blick auf das Hotel – auf der linken Seite, zwischen Fels und See, wenn man aus einem der vielen Tunnel heraus kommt. Dann ist es schon wieder verschwunden, wie eine Erinnerung, die man gerade greifen wollte.

Vor Ort ergibt eine kurze Recherche, dass man das Hotel am besten vom Wasser aus erreichen kann. Also miete ich mir in Riva ein kleines Wassertaxi. Der Local Guy, ein wettergegerbter Mann mit sonnengebleichtem Hemd und Sonnenbrille, versteht sofort, was ich suche. „Ah, Casa della Trota“, sagt er und lächelt. Er kennt den Ort – und er kennt auch die Geschichten, die sich darum ranken. Unterwegs dorthin berichtet er mir davon.

Als wir uns dem Fels nähern, schält sich das Gebäude aus der Wand – ein gestrandetes Relikt, halb Haus, halb Mythos. Direkt in den Stein gebaut, mit Terrassen, die wie Schwalbennester an der Fassade kleben. Unten, am Wasser, ein kleiner Bootsanleger, halb zerfallen, halb romantisch.

Meine Fotoausrüstung habe ich diesmal nicht dabei – das muss sich bei zukünftigen Urlauben ändern. Also muss das Handy herhalten. Der See glitzert, die Sonne steht hoch und ich wünsche mir, ich hätte eine Drohne dabei. Von oben muss dieser Ort noch unwirklicher aussehen. Ein Betreten ist zu riskant – die Felswand, die Enge der Lage und die notorisch aufmerksame Polizei in dieser Region machen jeden Versuch zum Spiel mit dem Feuer.

Das Hotel Ponale ist architektonisch eng mit der historischen Ponale-Straße verbunden, einem alten Tunnelsystem aus dem 19. Jahrhundert, das Riva mit dem Ledrotal verband. Heute ist sie ein beliebter Wander- und Radweg – und wer genau hinsieht, entdeckt das Hotel unmittelbar unter dieser Trasse.

Schon um 1830 existieren Aufzeichnungen, die eine Vorgängerstruktur an dieser Stelle erwähnen. Das heutige Hotel soll 1971 eröffnet worden sein – ein mondäner Ort mit feiner Küche und spektakulärem Blick auf den Gardasee. In den 1970er-Jahren gaben sich hier Prominente die Klinke in die Hand: Fausto Coppi, Monica Vitti oder Willy Brandt – sie alle sollen auf der Terrasse gesessen haben, während unter ihnen die Boote über das Wasser glitten.

Doch die Zeit war gnadenlos. Die steile Lage, geologische Risiken und verschärfte Brandschutzauflagen machten den Betrieb immer schwieriger. Seit über zwanzig Jahren steht das Hotel nun leer, ein Mahnmal des Verfalls und der Vergänglichkeit des Glamours. Die Natur hat begonnen, sich das Bauwerk zurückzuholen. Moos bedeckt die Terrassen und in den Fenstern spiegelt sich nur noch der See.

Das Hotel Ponale ist mehr als nur ein Lost Place. Es ist ein Symbol für eine Zeit, in der der Gardasee noch ein Ort des Aufbruchs und der Eleganz war. Und während das Boot langsam Kurs auf Riva nimmt, denke ich: Vielleicht ist es besser so. Nicht alles, was vergangen ist, muss neu erweckt werden. Manche Orte sind schöner, wenn sie träumen dürfen.


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